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re:publica 2024: Diese Menschen und Panels haben mich inspiriert.

Laptop aus, Digitalkonferenz an: Im lebendigen Strom von insgesamt 28.000 Besucher:innen gönne ich mir das zweite Jahr in Folge den Luxus, auf der re:publica in Berlin Urlaub zu machen. Mit nichts als einem Handy und einer Wasserflasche bewaffnet, reise ich in der Berlin Station zwischen den einzelnen Stages und Panels hin und her. Manchmal bleibe ich länger als gewollt. Manchmal gehe ich früher als gedacht. Ganz so, wie ich lustig bin.



„Who cares?“

 

Diese Frage beleuchteten vom 27. – 29.05. rund 1.600 Speaker:innen in 880 Sessions – darunter Vorträge, Diskussionen, Talkrunden und Workshops – aus unterschiedlichen Perspektiven. Klimakrise, digitale Gewalt, Zeitgerechtigkeit oder Pflegenotstand: Es gibt viele gute Gründe, sich zu fragen, wer sich kümmert bzw. wen das eigentlich alles interessiert.

 

Was ich mir vorgenommen habe?

 

Ich will ein Schwamm sein und Wissen aufsaugen. Ganz besonders solches Wissen, das eben gerade nicht in direkter Verbindung zu meinem Job als Texterin steht. Fun Fact am Rande: Schnell stellte ich fest, dass ich nicht die einzige Schwamm-Intelligenz auf der re:publica war. Ein „Bernd, das Brot“-Maskottchen, das einem Putzschwamm zum Verwechseln ähnlich sah, tingelte ebenfalls durch die Hallen.

 

Was ich für mich mitnehmen konnte?

 

Eine bittersüße Erkenntnis: Die Welt ist in keinem guten Zustand. Wir gehen mit Waffen aufeinander los, unser Ökosystem kollabiert und die Schere zwischen arm und reich geht rasant auseinander. Who cares? Die re:publica zeigte mir: Es gibt viele Menschen da draußen, die ihren Mut zusammennehmen und ihre Bildung nutzen, um, heftigen Widerständen zum Trotz, etwas zum Positiven zu verändern. Diese Menschen müssen wir unterstützen. Wir dürfen sie nicht allein lassen.  

 

Wer oder was mich beeindruckt hat? Meine drei persönlichen Highlights:

Dr. Eckhardt von Hirschhausen: „Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde“

 

Dr. Eckhardt von Hirschhausen erzählte an Tag 2 nichts Neues. Dennoch hat mich sein Vortrag gepackt. Nicht zuletzt deshalb, weil Hirschhausen spricht, wie er spricht: Lebendig, kraftvoll, verständlich. Und er hat Recht: Wir müssen nicht die Erde retten, sondern uns. Und zwar dringend!



Hirschhausen hat es geschafft, dass ich ab sofort jede Nacht an die Klimakrise denken muss. Mit seiner Beispiel vom nächtlichen Harndrang, wegen dem man aufwacht und sich dann denkt: Ach, das vergeht schon wieder, ich schlaf einfach wieder ein. Pustekuchen! Das funktioniert nicht. Genau wie die Klimakrise können wir auch unseren nächtlichen Harndrang nur kurz zur Seite schieben. Aber er geht deshalb nicht weg, sondern bleibt, wird stärker und zwingt uns dazu, auf die Toilette zu gehen. Also warum nicht gleich handeln, bevor alles in die Hose geht?

 

Professor Bernhard Pörksen: „Aufmerksamkeitscrash. Kurzfristiges und langfristiges Denken.“


Bernhard Pörksen ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen und ein brillanter Redner. Mit seiner charmant souveränen Bühnenpräsenz zog er mich von Minute eins an in den Bann. Die zentrale These seines Vortrags: Die öffentliche Aufmerksamkeit steckt im Angesicht der aktuellen Gegenwartskrisen – Artensterben, Klimawandel, Pandemien, Populismus – in der falschen Zeitsphäre fest. Wir reagieren im Modus der Kurzfristigkeit auf Gefahren, die den Modus der Langfristigkeit erfordern.



Gibt es einen Ausweg aus diesem Dilemma? Einen Ansatz hat Pörksen parat: Wir müssen den Kult der Kurzfristigkeit durch konträre Reize kontern. Solche, die unser Denken in Richtung sehr viel längerer Zeiträume ausrichten. Eine Möglichkeit, die kürzer werdende Aufmerksamkeitsspanne und die allgemeine Atemlosigkeit inmitten von hektisch zuckenden Nachrichtenzyklen aufzubrechen, könnte, laut Pörksen, eine Art Szenarien-Journalismus sein. Ich bin keine Journalistin. Den Gedanken einer Szenarien-Kommunikation finde ich trotzdem durchaus inspirierend. Gerade auch für meinen Job.


Wenige Minuten nach dem Vortrag stand ich am Dussmann Bücherstand, um mir von Pörksen mein neues Buch signieren zu lassen. Bzw. ich habe meinen Sohn vorgeschickt, weil ich mich selbst nicht traute. Aber egal. „Die Kunst des miteinander Redens“ von Pörksen und Schulz von Thun liegt ab sofort neben meinem Bett. Ich freue mich schon darauf, es in Kürze zu lesen.


Teresa Bücker: „Zeitgerechtigkeit ist keine Utopie“.

 

Zeit ist der wahre Luxus. Aber Zeit zu haben, muss man sich erstmal leisten können. Die Zeit, sich um andere kümmern zu können, zum Beispiel. Die Journalistin und Autorin Teresa Bücker öffnete in ihrem Vortrag die den Blick dafür, was zeitpolitisch verhandel- und vorstellbar ist. Sie zeigte auf, wie wir mit einer neuen gerechteren Zeitpolitik Antworten auf die unterschiedlichen Care-Krisen, wie z. B. die Kita- und Pflegekrise, finden können. Sie machte schmerzlich bewusst, dass wir das Sich-Kümmern zurückgestellt haben. In einer Zeit, in der das Klima und der Kampf für die Demokratie unsere volle Zuwendung brauchen. Der mutige und engagierte Vortrag machte definitiv Lust auf eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema Zeitgerechtigkeit.



 Wer ebenfalls mehr erfahren möchte, kann sich das Buch von Teresa Bücker „Alle_Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit / Wie eine radikal neue, sozial gerechtere Zeitkultur aussehen kann.“ vornehmen. Ich will es unbedingt lesen! Sobald ich Zeit dafür habe ;-)

 

Ich könnte endlos so weitermachen …

 

Neben diesen drei Vorträgen gab es viele weitere Panels, die mich mit Wissen versorgt und zum Denken (sowie hoffentlich auch zum Handeln) angeregt haben. Die Lebensgeschichten von Georgine Kellermann und Raul Krauthausen zum Beispiel. Die Ausführungen über „Urheberrecht in Zeiten von KI“ von Anwalt Jörg Heidrich und die szenische Lesung des Autor:innen-Kollektivs „Schwarzbuch Krankenhaus“.


 

Keine Frage, die re:publica hat mich vielfältig gepackt, inspiriert und neu aufgeladen. Nach drei Tagen hatte ich, meinem Schwamm-Vorhaben gerecht werdend, einiges in mich aufgesaugt. Jetzt freue mich darauf, fremde Gedanken in eigene Ideen zu verwandeln und in meine privaten und beruflichen Projekte einfließen zu lassen.

 

 

 

 

 

 
 

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